Judika, St. Petri 2022
Liebe Freunde in Christus!
Als ich 14 Jahre alt war, fesselte ein spektakulärer Gerichtsprozess meine Aufmerksamkeit. Manche bezeichnen ihn als den „Prozess des Jahrhunderts“. Der amerikanische Football-Spieler und Schauspieler O. J. Simpson wurde wegen Mordverdachts an seiner früheren Ehefrau und einem Kellner angeklagt. Der Prozess erregte auch deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil er live im Fernsehen übertragen wurde. Auch in Deutschland konnte man das Verfahren im Fernsehen verfolgen. Am Ende wurde O. J. Simpson trotz etlicher Ungereimtheiten freigesprochen.
An diesem Prozess kann man vor allem eine Sache lernen: Was vor Gericht ausgesagt wird, ist von Bedeutung. Denn jedes Wort kann Auswirkungen auf die spätere Urteilsverkündung haben. Deshalb werden Zeugen vor ihrer Aussage vereidigt. Sie schwören, die Wahrheit zu sagen. Deswegen werden manche Zeugen in den Zeugenstand gerufen und andere nicht. Weil jedes Wort so wichtig ist, passiert es manchmal, dass der Verteidiger eingreift, wenn ein Zeuge anstelle objektiver Fakten, seine persönlichen Spekulationen zum Besten gibt. Denn ein Wort kann den Unterschied zwischen Gefängnis oder Freiheit – zwischen Strafe oder Unschuld – ausmachen.
Das macht den Prozess von Jesus so irritierend. Wenn es in der Geschichte der Gerichtsprozesse jemals einen Angeklagten gegeben hat, der ratlos wirkte, dann war es Jesus Christus. Wenn es jemals einen Menschen gegeben hat, der einen guten Rechtsbeistand dringend gebraucht hätte, dann war es der Herr, der für sich beanspruchte, allwissend zu sein. Erinnert ihr euch an die ganze Geschichte seiner Gerichtsverhandlung? Erinnert ihr euch daran, was Jesus sagte, als ihm der Prozess gemacht wurde? Heute wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf das richten, was Jesus vor Gericht tat – aber ganz besonders darauf, was er sagte.
Alles begann damit, dass Kaiphas sich auf den Stuhl des Richters setzte. Joseph Kaiphas war der Hohepriester Israels zu jener Zeit. Nach Aussagen eines jüdischen Historikers übernahm Kaiphas dieses Amt im Jahr 18 n. Chr. von seinem Schwiegervater Hannas (vgl. Joh 18,13). Damit wurde er zugleich der Richter des obersten Gerichtshofes der Juden, der auch „Sanhedrin“ oder „Hoher Rat“ genannt wird. Der Richter beim Prozess von O. J. Simpson stand unter besonderem Druck, weil sich das mediale Augenmerk der ganzen Welt auf diese Verhandlung richtete. Aber das ist Nichts im Vergleich mit dem, womit Kaiphas sich konfrontiert sah. Denn vor 2.000 Jahren stand die Stadt, in der Kaiphas Richter war, kurz davor zu explodieren. Jerusalem glich einer Bombe mit einer sehr kurzen Zündschnur. Die Spannungen in der Stadt und im ganzen Land bestanden nicht zwischen der Polizei und den Bürgern, sondern zwischen den Juden und den Römern. Die Juden litten unter der Besetzung ihres Landes durch das Römische Reich. Denn die fremden Besatzer schrieben ihnen vor, was sie tun durften und was nicht und welche Abgaben sie zu leisten hatten. Ein Unding für einen Juden. Wenn sich jemand wagte, ihnen zu widersprechen, stellten die Römer sicher, dass dies kein zweites Mal geschehen würde. Sie zögerten nicht, Menschen zur Strafe ans Kreuz zu bringen, die Steuern zu erhöhen oder die Lebensbedingungen zu erschweren.
Anfang des 1. Jahrhunderts geschah es allerdings immer wieder, dass das jüdische Volk die unliebsamen Besatzer loswerden wollten. Meist trat ein charismatischer jüdischer Mann aus der Masse heraus, hielt einige ergreifende Reden. Die Menge folgte ihm und nahm Schwerter in ihre Hände. Sie bezeichneten ihn als neuen König oder als den Messias, der sie befreien würde. Und dann übten sie den Aufstand gegen jeden Römer, der in Reichweite war. Natürlich ließen sich die Römer das nicht gefallen. Sie schlugen zurück.
Die Bibel erwähnt nicht nur ein oder zwei, sondern mindestens drei, solcher Aufstände. In Apostelgeschichte 5 heißt es zum Beispiel (Apg 5,36-37):
Denn vor einiger Zeit stand Theudas auf und gab vor, er wäre etwas (z. B. der Messias zu sein), und ihm hing eine Anzahl Männer an, etwa vierhundert. (…) Danach stand Judas der Galiläer auf in den Tagen der Volkszählung und brachte eine Menge Volk hinter sich zum Aufruhr;
In Apostelgeschichte 21 wird dem Apostel Paulus folgende Frage vorgelegt (Apg 21,38):
Bist du nicht der Ägypter, der vor diesen Tagen einen Aufruhr gemacht und viertausend von den Aufrührern in die Wüste hinausgeführt hat?
Das war also die Lage: Aufstände – Juden gegen Römer. Und Kaiphas saß zwischen den Stühlen. Dann betrat Jesus die Bühne. Er hielt kein Schwert in seinen Händen. Aber er trug eine Predigt auf seinen Lippen. Aber seine Predigt drehte sich nicht um einen Aufruhr oder um die Römer. In seinen Worten ging es um Religion. Seine Predigt drehte sich um Menschen wie Kaiphas, die verdorben waren.
Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, – so sagte Jesus zum Beispiel – ihr Heuchler, die ihr seid wie die übertünchten Gräber, die von außen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat! So auch ihr: von außen scheint ihr vor den Menschen fromm, aber innen seid ihr voller Heuchelei und Unrecht (Mt 23,27-28).
Und die Menschen liebten es. Sie liebten es, wie Jesus die Autoritäten konfrontierte. Wie er selbst mit Autorität sprach. Und obendrein heilte er ihre Kranken und erweckte Tote zum Leben.
Was geschah also? Menschenmassen folgten ihm. Zuerst zehn, dann hunderte, später tausende – wenn nicht zehntausende. Und was flüsterten sie? Ist Jesus der Christus? Ist er der Messias? Ist er der Sohn Gottes? Kaiphas wusste genau, was geschehen würde. Die Römer würden von den Unruhen hören. Sie würden die Menschenmengen sehen, größer als jemals zuvor. Und sie würden das tun, was Römer eben taten. Sie nagelten jüdische Menschen an römische Kreuze.
Kaipahs wusste also, dass er die Sache stoppen musste. Und er hatte einen Plan, wie er das umsetzen könnte: Töte Jesus. Verurteile ihn. Übergib ihn den Römern. Lass ihn kreuzigen. Denn es ist besser, wenn ein Jude stirbt als tausende. Ein Kreuz ist besser als hunderte. Und schließlich hatte es Jesus mit der Art und Weise, wie er geredet hatte nicht anders verdient.Das war also der Plan von Kaiphas.
Allerdings hatte sein Plan einen Hacken: Jesus war ohne Sünde. Tragfähige Anklagepunkte waren schwer zu finden. Jesus ist der Sohn Gottes – er hat also nie auch nur eine Sünde getan. Aber Kaiphas probierte es dennoch. Hören wir aus dem Matthäusevangelium, was während des Prozesses von Jesus geschah (Mt 26,57-61):
Die aber Jesus ergriffen hatten, führten ihn zu dem Hohenpriester Kaiphas, wo die Schriftgelehrten und Ältesten sich versammelt hatten. Petrus aber folgte ihm von ferne bis zum Palast des Hohenpriesters und ging hinein und setzte sich zu den Knechten, um zu sehen, worauf es hinauswollte. Die Hohenpriester aber und der ganze Hohe Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, dass sie ihn töteten. Und obwohl viele falsche Zeugen herzutraten, fanden sie doch nichts. Zuletzt traten zwei herzu und sprachen: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen aufbauen.
Da hatte Kaiphas also endlich einen Anklagepunkt. „Ich kann den Tempel Gottes abbrechen – also zerstören“, soll Jesus gesagt haben. Das klingt doch ziemlich gewaltbereit. Das klingt nach einem Terroristen. Und wann sagte Jesus diese Worte? Aha! Als er mit ärgerlichem Gesichtsausdruck über Tische sprang und eine Peitsche – eine Waffe also – in seiner Hand hatte, Wechseltische umstieß und Händler aus dem Tempel warf. Der Fall könnte also kaum klarer sein. In unserem Text heißt es weiter (Mt 26,62):
Und der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts auf das, was diese gegen dich bezeugen?
Und was tat Jesus? Die Worte, die ihm als nächsten über die Lippen kommen, würden über Freiheit und Strafe entscheiden – über Leben und Tod. Was wird Jesus tun?
Bevor wir weiterlesen, was Jesus wirklich tat: Darf ich euch verraten, was ich getan hätte? Wenn ich der Anwalt Jesu gewesen wäre, hätte ich eine gute Verteidigungsstrategie gehabt. Als Erstes können wir der Zeugenaussage widersprechen, denn sie ist schlichtweg gelogen. Ich würde den Zeugen, der behauptet hatte, dass Jesus den Tempel zerstören will, noch einmal in den Zeugenstand rufen. Und dann würde ich ihn daran erinnern, was damals wirklich geschehen war und wie es im 2. Kapitel des Johannesevangeliums aufgeschrieben steht (Joh 2,18-21):
Da fingen die Juden an und sprachen zu (Jesus): Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten.
Jesus hatte also nie gesagt, dass er den Tempel zerstören würde. Er sagte: „Wenn ihr diesen Tempel zerstört, dann baue ich ihn wieder auf“. Es war also kein Aufruf eines Terroristen. In Wahrheit war diese Aussage ein Versprechen. Und es ging Jesus ja noch nicht einmal um den Tempel, der auf einem Berg in Jerusalem erbaut worden war. In Johannes 2 heißt es weiter:
Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes.
Jesus sprach also über seinen Körper. Wenn der Körper von Jesus zerstört – also hingerichtet wird – dann baut er ihn in drei Tagen wieder auf. Eine Andeutung seiner Auferstehung. Die Zeugenaussage ist also falsch – gelogen.
Aber wenn diese Strategie nicht helfen würde, könnte man als Jesu Anwalt, den ersten Zeugen der Verteidigung aufrufen. Ich denke, ich würde Malchus als Zeugen wählen. Erinnert ihr euch an Malchus? Petrus schlug ihm bei der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane das rechte Ohr ab. Ich würde ihn in den Zeugenstand bitten und fragen: „Malchus, kennst du den Angeklagten?“ „Ja, das ist Jesus.“ „Malchus, als einer seiner Anhänger das Schwert zog und gegen dich erhob – erinnerst du dich daran, was Jesus sagte?“ „Jesus sagte, dass er sein Schwert wegstecken soll.“ „Klingt das nach einem Terroristen, Malchus?“ „Nein.“ „Und Malchus: Nachdem Jesus gesagt hatte, dass Petrus sein Schwert wegstecken soll, was hat er dann getan?“ „Er hat mich geheilt.“ „Malchus, machen das Terroristen gewöhnlich? Glaubst du, dass Jesus ein Terrorist ist?“ „Nein, wahrscheinlich nicht.“ „Keine weiteren Fragen, euer Ehren!“
Als Anwalt von Jesus wäre es sehr einfach, die Anschuldigungen gegen Jesus zu entkräften. Aber das war nicht das, was Jesus tat. Bevor ich euch gleich wirklich vorlese, was Jesus tat, erlaubt mir noch eine Frage: „Was würdet ihr tun?“ Wenn ihr wegen etwas beschuldigt werdet; …wenn jemand etwas Negatives über euren Charakter oder über euer Verhaltens sagt: Wie würde eure Reaktion aussehen? Oder anders gesagt: Was tut ihr? Wenn jemand eure Arbeitsmoral in Frage stellt, eure Kindererziehung, eure Reife, euren Sinn für Humor, wie viel ihr im Haushalt mithelft, wie ihr Technologie benutzt, wie ihr euren Kindern erlaubt, Technologie zu benutzen, eure politischen Ansichten, mit wem ihr Zeit verbringt, die Entscheidungen, die ihr trefft… Wenn jemand etwas Negatives über euch sagt, was tut ihr? Ich vermute, dass ihr dasselbe tut, wie ich. Ihr sagt etwas. Ihr sagt etwas, um euch zu verteidigen. Ihr bringt Belege, die zeigen, dass die Anschuldigung nicht stimmt. Wahrscheinlich ist es sogar so, dass viele von euch – wie ich auch – zum Gegenangriff ausholen. Und vieles von dem, was man dann sagt, hat mit der eigentlichen Anschuldigung gar nichts zu tun. Zum Beispiel sagen wir Dinge, wie: „Der Ton macht die Musik.“
Oder wir reden über ihr falsches Verhalten: „Als würdest du immer alles richtig machen.“ „Als wärt ihr die perfekten Eltern!“ „Ich hatte einen wirklich harten Tag und da musst du ausgerechnet jetzt damit anfangen?“ „Als würdest du nie deine Sachen überall im Haus rumliegen lassen.“ „Als würdest du nie stundenlang auf dein Telefon starren.“ „Ja, ja – und du gibst deinen Kindern nie ein iPad oder setzt sie vor den Fernseher, wenn du eine Pause von dem ganzen Stress brauchst!“ „Als wäre deine Arbeit perfekt!“ „Als würdest du nie… als wärst du nie… usw. Denn wenn wir anfangen über mich zu reden, …“ Das ist das, was wir tun.
Aber das ist nicht das, was Jesus tat. Anstelle diesen kleinen Anwalt im menschlichen Herzen sprechen zu lassen, tat Jesus das, was niemand erwarten würde. Die Anschuldigungen stehen im Raum. Nun hören wir, was unser Retter tat (Mt 26,33):
Aber Jesus schwieg still.
Keine Einwände. Keine Gegenanschuldigungen. Keine weiteren Zeugen. Jesus tut rein gar nichts. Und das war seine Strategie während des gesamten Prozesses. Später führten sie Jesus vor König Herodes. Herodes konfrontierte ihn mit vielen Fragen. Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Also brachten sie Jesus zu Pilatus. Und der römische Statthalter fragte ihn schließlich (Mt 27,13-14):
Hörst du nicht, wie hart sie dich verklagen? Und er antwortete ihm nicht auf ein einziges Wort, sodass sich der Statthalter sehr verwunderte.
Was tat Jesus? Nichts.
Und der Hohepriester sprach zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes. Jesus sprach zu ihm: Du sagst es. Doch sage ich euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels.
Bist du der Sohn Gottes? Bist du der Messias? Und bei der Antwort von Jesus, möchte man fast einhaken und sagen: Nein, Jesus – bitte nicht. Sag nicht ausgerechnet das! Denn wisst ihr, was er sagt?
Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels.
Das ist ein Zitat aus dem Alten Testament – genauer aus Daniel 7. In Daniel 7 ist der Menschensohn derjenige, der zur Rechten von Gott, dem Vater, sitzt. Er regiert die Völker. Und er wird als Gott angebetet. Als die Anschuldigung der Gotteslästerung gegen Jesus erhoben wurde, sagte Jesus: „Nein, ich bin nicht der König der Juden. Ich bin der König des ganzen Universums. Ich möchte nicht einfach, dass du mir folgst. Kaiphas, ich möchte, dass du mich anbetest.“ Vor Kaiphas und dem Hohen Rat ist das natürlich die falscheste Sache, die man sagen kann. Hört, wie es weitergeht:
Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat Gott gelästert! Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Siehe, jetzt habt ihr die Gotteslästerung gehört. Was ist euer Urteil? Sie antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig.
Jetzt müsste Jesus doch wirklich eingreifen, etwas sagen. Er sieht sich dem Todesurteil ausgesetzt. Sie werden Nägel nehmen und ihn an den Händen und Füßen an einem Kreuz befestigen. Sie werden ihm eine Dornenkrone aufsetzen. Sag etwas, Jesus! Lies ihre Gedanken. Beweise, dass du Gott bist. Du kannst das. Sag deinem Vater, dass er als Zeuge auftreten soll. Dass er mit seiner allmächtigen Stimme für dich sprechen soll. Tu etwas Jesus. Sage etwas. Aber Jesus sagte nichts.
Da spien sie ihm ins Angesicht – und er sagte nichts!
und schlugen ihn mit Fäusten. – und er tat nichts!
Einige aber schlugen ihn ins Angesicht und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist’s, der dich schlug? – und er sagte nichts!
Sie brachten ihn ans Kreuz – und er tat nichts! Theologen nennen das den passiven Gehorsam von Christus. Das Gegenstück dazu ist der aktive Gehorsame von Jesus. Beim aktiven Gehorsam geht es um alles, was Jesus tat, um das Gesetz Gottes zu erfüllen – also dass er z. B. mitleidig und liebevoll zu Witwen und Kranken war. Beim passiven Gehorsam dagegen tut Jesus nichts. Er erträgt einfach. Er sitzt einfach da. Er erwidert nichts. Er schlägt nicht zurück, als er geschlagen wird. Er streitet nicht. Er erlaubt einfach, dass er angespuckt, gekreuzigt und getötet wird.
Warum tat Jesus das? Warum tat er, was niemand von uns jemals tun würde? Ich glaube, ich weiß die Antwort auf diese Frage. Manchmal spiele ich mit seinen Kindern Armdrücken. Ab und zu mache ich das auch im Kinderunterricht.Ich mag es, wenn einem die Kinder dann mit ernstem Gesichtsausdruck gegenübersitzen. Sie stützen ihre kleinen Ellenbogen auf den Untergrund. Und sie strengen sich wirklich an. Und Papa? Der hat natürlich wirklich Probleme gegen die Kraft seiner Kinder anzukommen, stimmt’s? Aber schließlich besiegen mich meine Kinder doch. Oft. Natürlich nicht immer. Manchmal erinnere ich meine Kinder daran, dass ihr Papa vielleicht schwach ist – aber nicht so schwach. Und dann gewinne ich auch mal. Aber in den meisten Fällen tue ich das nicht. Ich nutze meine Kraft nicht. Ich lasse mich besiegen, weil ich den Ausdruck ihrer kleinen Gesichter liebe, wenn sie gewonnen haben.
Deswegen ließ es Jesus geschehen. Bist du der Sohn Gottes? Und die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig: „Ja!“ Und wir können uns dieser Antwort sicher sein – aufgrund des passiven Gehorsams von Jesus. Sein Gehorsam ist für uns der Beweis, dass Jesus wirklich der Sohn Gottes ist. Jesus benutze seine Muskeln nicht. Er ließ sich von schwachen Menschen besiegen. Denn er wollte den Ausdruck auf ihren Gesichtern sehen.
Als er für unsere Abwehrhaltung und unsere Sünden starb, wollte er den Ausdruck in unseren Gesichtern sehen. Als er siegreich von den Toten auferstand und sich an die rechte Seite seines Vaters als König der Könige setzte, wollte er den Ausdruck in unseren Gesichtern sehen. Wenn er mit seiner Gnade zu uns kommt, nachdem wir gesündigt haben, will er den Ausdruck in unseren Gesichtern sehen, wenn er sagt: Vergeben. Heilig. Sündlos. Nicht schuldig. Und er hat ein Versprechen in unsere Herzen gelegt, dass uns von unserer Abwehrhaltung befreit. Jesus hat uns mit seinem aktiven und passiven Gehorsam so sehr geliebt, dass wir nicht mehr zurückschlagen müssen, wenn andere Menschen uns angreifen. Wir müssen niemanden mehr davon überzeugen, dass wir besser wären, als wir es in Wahrheit sind. Gott hat Wohlgefallen an uns. Er freut sich über uns und ist fröhlich. Ob Menschen uns lieben oder nicht, zählt am Ende nicht. Denn Gott tut es. Jesus war gehorsam – passiv und aktiv – und deswegen ließ er sich an ein Kreuz nageln, um den Ausdruck der Freunde in den Gesichtern derjenigen zu sehen, denen vergeben wurde. Jesaja fasste es so zusammen (Jes 53,7):
Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
Er sagte kein Wort. Der Sohn Gottes erlitt ohne Widerrede, was zu erleiden war, um uns einen neuen Gesichtsausdruck zu schenken. Und deswegen lieben wir ihn. Weil er nichts tat. Weil er nichts sagte.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.