Denkt Jesus!

St. Petrigemeinde ZwickauPredigten

4. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Freunde in Christus!

In unseren Tagen überdenken viele Menschen die Sache mit Jesus. Jahr für Jahr und Umfrage für Umfrage offenbart es: Viele, die in der Vergangenheit Jesus nachgefolgten, sich einer Kirche anschlossen, beteten und sich öffentlich mit dem christlichen Glauben identifizierten, tun dies nun nicht mehr.

Diese Entwicklung ist schon seit Jahrzehnten zu beobachten: Laut Nachforschungen der Bundeszentrale für politische Bildung reduzierte sich der Anteil der evangelischen Bevölkerung im Zeitraum von 1956 bis 2018 um 49,1 Prozent.1 Fast die Hälfte der Evangelischen wendete sich von Jesus ab. Unlängst titelte die Süddeutsche Zeitung deshalb: „Die Christen werden in Deutschland zur Minderheit“.2

Wie bereits erwähnt, ist das nicht nur eine Entwicklung unserer Tage. Schon vor 100 Jahren – also zur Gründungszeit unserer Gemeinde – überdachten viele Menschen die Sache mit Jesus. In der Chronik unserer Gemeinde, die Pfarrer Gotthilf Herrmann verfasst hat, kann man davon lesen. Er beschreibt die Zustände nach dem ersten Weltkrieg folgendermaßen:

Deutschland war militärisch zusammengebrochen. Das 1871 errichtete Kaiserreich war dahin. Die Könige der deutschen Länder, Großherzöge, Herzöge und Fürsten waren gestürzt. Die Landeskirchen hatten ihre Oberhäupter verloren… Viele, die längst innerlich mit der Staatskirche zerfallen waren, erklärten ihren Austritt aus derselben. Eine „Kirchenaustrittsbewegung“ setzte ein…

Mit dem Zusammenbruch von 1918 hatte alles Vertrauen auf menschliche Kraft, Macht, Weisheit, Klugheit und Kunst sich als nichtig erwiesen. Trauer, Elend und Herzeleid waren durch den Krieg in alle Häuser eingekehrt. Armut und Hunger nahmen beständig zu. Die wirtschaftliche Not war riesengroß. Die Geldentwertung raffte allen „sicheren“ Besitz dahin…

Wohl hatte Gottes Gericht, das durch den ersten Weltkrieg hereingebrochen war, an vielen in der Heimat und im Felde seinen Zweck erreicht. Sie ließen sich’s zur Buße dienen. Die meisten aber verhärteten ihr Herz und wollten sich nicht bekehren.

Sicher: Die Umstände vor 100 Jahren waren andere. Und doch beobachten wir es damals wie heute: Menschen überdenken ihre Beziehung zu Jesus. Wir spüren es ganz allgemein in unserer Kultur. Aber ich denke, jeder von uns hat das in seinem persönlichen Umfeld ebenso erfahren: Geliebte Menschen wenden sich von Jesus ab. Die Zahlen lügen nicht. In dieser Gemeinde, in dieser Kultur, in diesem Land scheint der Ruf Jesu immer schlechter zu werden.

Und je mehr ich über diese Situation nachgedacht habe, desto mehr verstehe ich es. Achtung: Ich sage nicht, dass ich damit einverstanden bin. Aber wenn ich über Jesus nachdenke und darüber, was er lehrt, welches Leben er gutheißt und welche Art Lebensstil er gebietet; wenn ich über all die Dinge nachdenke, die Jesus offen und direkt aussprach, dann verstehe ich, warum Menschen ihre Beziehung zu ihm überdenken.

Denn Christ zu sein, ist mit Kosten verbunden. Der Heiland selbst drückte es folgendermaßen aus:

Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.

Jesus meint hier natürlich nicht, dass wir ihm etwas bezahlen müssen. Mit Geld kann man sich die Erlösung nicht erkaufen. Ebenso wenig müssen wir genug gute Werke aufweisen, um Rettung zu erfahren. Allein aus Gnade werden wir selig. Jesus meint hier vielmehr: „Ich gehe in Richtung meines himmlischen Vaters. Wollt ihr mir nachfolgen, könnt ihr nicht einfach in die andere Richtung gehen. Was auch immer ihr woanders zu finden glaubt: Verleugne dich selbst und folge mir.“

Und je mehr ich über die Dinge nachdenke, die man als Christ hinter sich lassen muss, desto mehr verstehe ich, warum viele Menschen ihre Beziehung zu Jesus überdenken. In der vergangenen Woche habe ich versucht, die groben Zahlen zu berechnen, was Jesus mich bisher gekostet hat. Ich dachte dabei vor allem an zwei Dinge, von denen wir uns wohl alle wünschen, wir hätten mehr davon: Zeit und Geld.

Erstens Zeit: Es ist nur eine grobe Schätzung und den Pastorenteil lasse ich raus. Aber die vergangenen 17 Jahre, in denen ich Christ bist, ging ich nahezu jeden Sonntag in die Kirche. Mit allem drumherum macht das etwa zwei Stunden pro Woche. Rechnet man noch die kirchlichen Feiertage dazu, ergibt das etwa 2.000 Stunden meines bisherigen Lebens, die mit dem Kirchgang zu tun hatten. Und dann versuche ich, jeden Tag in meiner Bibel zu lesen, was mir mal mehr mal weniger gut gelingt. Etwa 20 Minuten sind es am Tag, was weitere 2.000 Stunden ausmacht. Das ergibt eine Gesamtsumme von 4.000 Stunden. Gerechnet auf eine 40-Stunden-Woche entspricht das 100 Wochen Ferien, fast 2 Jahre. Und ich bin erst seit 17 Jahren Christ.

Aber Jesus will eine Beziehung zu seinen Jüngern. Und wir wissen, dass eine gute Beziehung vor allem eins braucht: Zeit. Es braucht Zeit, um zuzuhören und mit Jesus zu reden. Die Beziehung zwischen ihm und uns durch sein Wort entsteht nicht einfach so. Sie entsteht in der Kirche. Sie geschieht durch Bibellese, Hausandacht und Gebet. Wenn wir Jesus also in diese Richtung folgen, wird uns das eine Menge Zeit kosten.

Und dann las ich in der Chronik unserer Gemeinde und errötete vor Scham. Bevor am 25. Januar 1922 unsere Gemeinde gegründet wurde, mussten die Zwickauer Glieder zu Fuß nach Planitz in die St. Johannes-Gemeinde laufen. Pfarrer Gotthilf Herrmann schreibt dazu:

Es war ein Weg von durchschnittlich einer Dreiviertelstunde, hin und zurück also anderthalb Stunden. Autobusverkehr gab es in jener Zeit noch nicht. Die Zwickauer sind den Weg nach Planitz gern gegangen zum Gottesdienst am Sonntagvormittag, zur Christenlehre am Nachmittag, zur Bibelstunde am Abend eines Wochentages, zur Beichtanmeldung und zur Gemeindeversammlung, wie denn auch die Kinder alltäglich den Weg zurücklegten zum Besuch der Schule der St. Johannes-Gemeinde.

Der Verbindung zu Jesus kostet schon uns Zeit. Wie viel mehr war das in der Vergangenheit der Fall!

Und zweitens: das liebe Geld. Es wäre nicht richtig, öffentlich mitzuteilen, wie viel ich der Kirche bereits gegeben habe. Und ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht so genau. Aber ich fand folgendes heraus: Das Durchschnittsgehalt des deutschen Arbeitnehmers beträgt etwa 32.000 Euro netto. Arbeitet ein Christ 45 Jahre und gibt 10 Prozent seiner Einkünfte – was denkt ihr, was kostet ihn Jesus? Einen Porsche! Denn wir sprechen von ungefähr 144.000 Euro. Ein brandneuer Porsche 911 kostet derzeit 111.000 Euro. Wir hätten sogar noch genug Geld für Sprit.

Aber liebt man Jesus, will man seine Sache unterstützen – das Werk Jesu, die Botschaft Jesu. Und ob man nun 10 oder 5 Prozent oder was auch immer gibt, Jesus wird uns etwas kosten. Er ist ein großzügiger Retter. Folgen wir ihm nach, sind auch wir großzügig.

Und Zeit und Geld sind noch der leichtere Teil. Denken wir nur daran, dass wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen sollen. Sagt Gott etwas, soll das für uns mehr zählen, als alle anderen Dinge, die gesagt werden. Was ich fühle, was ich denke, was ich mir wünsche, was meine Kultur meinte, was meine Eltern mich gelehrt haben – Jesus sagt dazu klipp und klar:

»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt.

Oder mit anderen Worten: Kollidieren die Aussagen dieser Welt mit denen von Gott, wähle Gott. Kehre um. Ändere deine Meinung und trachte zuerst nach dem Reich Gottes.

Ob es nun die Zeit ist, die man für den Kirchgang aufbringt. Ob es das Geld ist, das man gibt, um großzügig zu sein. Ob es die Liebe ist, die es braucht, um Gott an die erste Stelle zu setzen und unseren Nächsten zu lieben wir uns selbst: Ich verstehe ein wenig, warum viele ihre Beziehung zu Jesus überdenken.

Die Frage lautet also: Wenn uns die Kosten der Nachfolge treffen und das Kreuz Jesu schwer wird – was werden wir denken? Oder wenn uns jemand in den Sinn kommt, den wir lieben und der früher in die Kirche ging, jetzt aber nicht mehr: Sprechen wir in nächster Zeit mit demjenigen – was werden wir ihm sagen, um ihn zum Umdenken zu bewegen?

Während wir darüber nachdenken, möchte ich unsere Aufmerksamkeit auf eines der 66 biblischen Bücher lenken, welches sich diesem Thema in besonderer Weise angenommen hat. Gemeint ist der Hebräerbrief. Dort hören wir von einer Gruppe Christen, die begeistert war, als sie das erste Mal von Jesus hörte. Aber dann wurden die Dinge schwerer – die Nachfolge kostete sie – und viele überdachten ihre Beziehung zum Heiland.

In diese Situation hinein wendete sich der Autor des Hebräerbriefes. Wir wissen nicht genau, wer das Schreiben verfasst hat. Manche meinen, es sei der Apostel Paulus gewesen, andere denken an Barnabas. Wie auch immer: Der Brief mit seinen 13 Kapiteln ist ein einziges überzeugendes Plädoyer dafür, ein Christ zu sein und zu bleiben.

Unser Predigttext stammt heute Morgen aus dem Hebräerbrief, Kapitel 3, Vers 1. Dort heißt es:

Darum, ihr heiligen Brüder und Schwestern, die ihr teilhabt an der himmlischen Berufung, schaut auf den Apostel und Hohenpriester, den wir bekennen, Jesus!

In der Mitte des Verses finden wir die zentrale Aussage: „Schaut auf Jesus“ – oder anders übersetzt: „Richtet euren Sinn auf Jesus.“ Der Autor sagt nicht: Denkt gelegentlich an Jesus. Es genügt ein flüchtiger Blick zu Weihnachten oder Ostern. Nein: Das griechische Wort ist mit Intensität und Intention verbunden: Richtet euren Sinn auf Jesus. Untersucht ihn. Seht ihn an. Achtet auf ihn. Ein „Ich bete, wenn jemand Probleme hat“ wäre nicht genug. Ein „Ich spreche doch ein Gebet vor dem Essen“ ist nicht genug. Und ein „Ich gehe an Heiligabend in die Kirche“ ebenso wenig. Natürlich hört man da von Jesus. Aber es ist nicht genug Jesus, als dass es helfen würde, aus- und durchzuhalten, wenn Schwierigkeiten kommen. Deshalb schreibt es der Autor des Hebräerbriefes so eindringlich:

schaut auf den Apostel und Hohenpriester, den wir bekennen, Jesus!

Auf zwei Eigenschaften Jesu weist der Autor dabei besonders hin. Erstens heißt es in unserem Text, dass Jesus unser Apostel ist. Im ersten Moment mag das ein seltsamer Titel für Jesus sein. Hören wir den Begriff „Apostel“ denken wir sicher vor allem an Jesu 12 Jünger. Das griechische Wort für „Apostel“ bedeutet übersetzt „Abgesandter“. Dieses Wort passt also gut zu den Jüngern, weil sie von Jesus „aus- oder abgesandt“ wurden, um das Evangelium zu verkündigen.

Und doch verwendet der Autor diesen Titel hier für Jesus: Er ist unser Apostel. Auch zu ihm passt das Wort sehr gut. Denken wir daran: Jesus war im Himmel bei Vater und Heiligem Geist. Dort gab es kein Leiden, keine Dornenkrone, kein Kreuz und keine Nägel. Aber was tat Gott, der Vater? Er sandte Jesus aus. Jesus wurde aus Liebe und Mitgefühl für euch und für mich auf große Mission geschickt. Als Gott unsere aussichtslose Lage sah – ja, ehe überhaupt die Welt erschaffen wurde -, war es schon beschlossene Sache: Jesus würde kommen, um in Ordnung zu bringen, was wir selbst nicht in Ordnung bringen konnten. Er wurde ausgesandt, uns zu erlösen.

Und wie tat unser Apostel das? Auch davon berichtet der Schreiber des Hebräerbriefes, wenn er zweitens sagt, dass Jesus unser Hohepriester ist. Das stellt wohl das zentralste Thema des Hebräerbriefes dar. 4 von 13 Kapiteln beschreiben in aller Tiefe, was es bedeutet, dass Jesus unser Hohepriester ist. Und für die ersten Leser, in der Regel geborene Juden, war das sehr greifbar und verständlich.

Wir sind keine Juden und daher stellt sich die Frage: Was ist eine Hohepriester? Liest man die Heilige Schrift vom Anfang her, stolpert man recht bald über die Kirche, die Gott selbst gestaltet hatte: die Stiftshütte und später der Tempel in Jerusalem. Der Tempel war ursprünglich durch König Salomo erbaut worden. Nachdem er zwischenzeitlich zerstört und wieder errichtet worden war, hatte ihn König Herodes kurze Zeit vor Jesu öffentlichem Auftreten erweitern lassen.

So wechselhaft die bauliche Geschichte des Tempels auch gewesen sein mag: Der eigentliche Entwurf, wie das Innere des Tempels auszusehen hatte, stammte von Gott. Jeder Einrichtungsgegenstand im Tempel gleicht einer Predigt Gottes. Wir hatten uns damit schon ein wenig beschäftigt, als es um Zacharias ging. Deshalb an dieser Stelle nur noch einmal die kurze Erinnerung: Im ersten Raum, dem Heiligen, stand beispielsweise der siebenarmige Leuchter, dessen Licht niemals verlosch. Gott lehrte damit sein Volk: „Ich bin euer Licht. Ich bin beständig, unauslöschlich. Menschen kommen und gehen. Mal ist dein leiblicher Vater für dich da, dann wieder nicht. Erst seid ihr beste Freunde, dann zieht sie weg. Menschliche Freundschaften und Beziehungen können verlöschen. Aber ich bin Gott. Ich bin beständig, ewig, allgegenwärtig. Und ich bringe Wärme und Leben und Liebe. Deshalb kannst du sehen. Du stolperst nicht in der Dunkelheit. Du musst keine Angst haben.“ „Ich bin das Licht der Welt“ so würde Jesus später sagen.

Dann stand im Heiligen ein Tisch, auf den man jeden Tag einen Stapel frischen Brotes legte. Das war die plastische Art Gottes zu sagen: „Genau wie dein Körper das tägliche Brot zum Überleben benötigt, bin ich deine geistliche Nahrung. Jeden Morgen ist meine Gnade neu. Ich ernähre dich. Du willst Vergebung? Du willst dazugehören? Du willst einen Platz in dieser Welt? Tag für Tag sorge ich für dich.“

Und dann war da noch der Rauchopferaltar, der bei Zacharias eine zentrale Rolle gespielt hatte. Darauf wurde eine spezielle Mischung aus Kräutern und Harzen verbrannt. Der Rauch stieg nach oben und verbreitete Wohlgeruch. Das war Gottes Weg zu sagen: Eure Gebete erreichen mich und sie sind lieblich für mich.

All das sind Predigten Gottes, die man noch sehr viel mehr vertiefen könnte. Für heute ist aber vor allem der große Vorhang interessant, der das Heilige von einem weiteren Raum abtrennte, dem Allerheiligsten. Dort stand nicht nur ein Kasten, die Bundeslade, sondern es war auch der Ort, von welchem Gott versprochen hatte, er würde dort zu finden sein.

So erklärt sich auch der Vorhang. Er war Gottes Art zu sagen, dass er und Menschen verschieden sind. Wir sind nicht allerheiligst. Wir sind auch nicht mehr oder weniger heilig. Wir sind Menschen und nicht Gott. Und in seiner Gegenwart gibt es keine Sünde, weil Gott 100%ig heilig ist. Und wir Menschen? Wir sündigen auf so vielen verschiedenen Wegen.

Der Vorhang war also ebenso eine Predigt Gottes, die fragte: „Glaubst du, dass du in meine Gegenwart kommen darfst, nur weil du kein Serienmörder oder kein Hitler bist? Nein, es gibt eine Trennung zwischen mir und dir. Und du kannst nicht einfach in meine Gegenwart treten.“

Es sei denn wir haben einen Hohepriester. Dieses Amt war von Gott selbst eingesetzt worden – vor allem zu einem Zweck: An einem Tag im Jahr – am großen Versöhnungstag – war es die Aufgabe des Hohepriesters, das Blut eines unschuldigen Opfertieres hinter den Vorhang ins Allerheiligste zu bringen. Kein anderer war dazu berechtigt. An keinem anderen Tag war das erlaubt. Nur ein Mann, an einem festgelegten Tag, der das Opferblut in der Gegenwart Gottes auf die Bundeslade spritzte. Das war Gottes Art zu sagen: Keine Trennung mehr zwischen sündigen Menschen und sündlosem Gott – wegen des Blut eines Opfertieres.

schaut auf den Apostel und Hohenpriester, den wir bekennen, Jesus!

Vor 2.000 Jahren lebte ein Mann namens Jesus von Nazareth. An einem Tag, den wir Karfreitag nennen, ging er hinter den Vorhang. Er trat in die Gegenwart Gottes mit einem Opfer – unschuldiges Blut wurde vergossen. Aber es war nicht das Blut eines Lammes sondern sein eigenes. Jesus war bereit, sein Blut zu vergießen und alles aufzugeben, was er hatte, um das ein für allemal gültige Opfer für all unsere Sünden zu sein. Er ist das Sühneopfer, wie es die Bibel ausdrückt, für die Sünden einer ganzen Welt.

Und so muss sich niemand nun mehr fragen, ob Gott ihm nahe oder ob er zornig auf uns ist; ob es eine Spaltung oder Trennung gibt. Haben wir Jesu Blut, das ultimative Opfer, dann haben wir Gott. Und ohne Jesus haben wir diese Gewissheit nicht. Nur er konnte sein heiliges Blut vergießen, um diejenigen, die an ihn glauben, heilig zu machen. Und so gilt: Haben wir Jesus, haben wir Gott – jetzt und für immer.

Das ist das Versprechen, das Jesus seinen Jüngern und allen Menschen machte: Wir werden manches zurücklassen und unser Kreuz auf uns nehmen müssen. Und das kann schwer sein. Aber folgen wir Jesus zu seinem Kreuz, bringt er uns in die Gegenwart Gottes – heute, morgen, auf unserem Sterbebett und für allezeit in der himmlischen Heimat.

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Deshalb zerriss der Vorhang im Tempel von obenan nach unten am Tag von Jesu Kreuzigung. Das war Gottes Weg zu sagen: Es gibt keine Trennung mehr. Durch das Blut Jesus sind Gott und Mensch versöhnt.

Darum, ihr heiligen Brüder und Schwestern, die ihr teilhabt an der himmlischen Berufung, schaut auf den Apostel und Hohenpriester, den wir bekennen, Jesus!

Durch das Werk Jesu und durch den Glauben an ihn, sind wir heilig. Aber nicht nur das: Der Autor des Hebräerbriefes nennt seine Leser Brüder und Schwestern. Ist euch aufgefallen, dass in letzter Zeit beinahe jedes Unternehmen die Sprache der Familie verwendet? „Hier bei uns – der xy Versicherung – sind Sie nicht nur Kunde, Sie gehören zur Familie.“ So wird ja geworben, weil das eine unserer tiefsten Sehnsüchte widerspiegelt: Wir wollen Teil einer guten funktionierenden Familie sein. Wir wollen eine guten Vater, eine fürsorgliche Mutter und Geschwister, die uns lieben. Genau das sagt Jesus auch hier: „Kommt zu mir als dem Hohepriester und ich mach euch heilig genug für Gott und zu einem Teil seiner Familie. Ich nehme euch im Haus meines Vaters auf und bereite euch dort eine Wohnung. Ich gebe euch einen Platz an seinem Tisch, so dass ihr sein Angesicht für den Rest der Ewigkeit über euch leuchtet.“

Und noch mehr:

Darum, ihr heiligen Brüder und Schwestern, die ihr teilhabt an der himmlischen Berufung

Das ist ein schöner Satz. Haben wir Jesus, haben wir auch Teil an der Berufung in den Himmel. Dieses Leben kann hart sein. Aber es ist nicht das Ende unserer Geschichte. Hätte ich ein hundert Meter langes Seil bei mir, würde ich ein 1cm langes Stück schwarzen Klebebandes daran befestigen und sagen: Das symbolisiert unser Leben in dieser Welt, den schweren Teil also. Aber der überwiegende Rest ist unsere himmlische Berufung. Sicher: Das Kreuz auf sich zu nehmen und Jesus für diesen 1cm schwarzen Klebebandes zu folgen, der unser irdisches Leben darstellt, kann schwer sein. Aber dann?! Wie drücken es die Engel aus:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!

Gott ist es wert, Ruhm und Ehre und Lob zu empfangen. Jesus ist es wert, was immer wie opfern müssen; was immer wir verlieren. Wenn wir sein Angesicht sehen; wenn wir an der himmlischen Berufung teilhaben; wenn wir voll und ganz erkennen, was es bedeutet, Teil von Gottes Familie zu sein und alle Sünden vollständig vergeben zu bekommen – dann werden auch wir mit den Engeln einstimmen:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!

Der Teufel wird alles tun, was er kann, damit wir genau daran zweifeln. Er will uns glaubend machen, dass wir nur uns selbst treu bleiben und unsere Träume leben und an unseren Plänen festhalten müssen. Andernfalls wirft man sein Leben weg. Aber Jesus sagte:

wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Oder mit anderen Worten: Seien wir nicht nur bedacht auf das Gesetz Gottes sondern vor allem auf die Liebe Gottes. Schauen wir nicht nur auf die schwierigen Momente, sondern auf den heiligen und schönen Teil der Nachfolge. Wenn wir darüber nachdenken, was wir alles aufgeben, geben wir Jesus früher oder später auf. Denken wir aber darüber nach, was wir bekommen, werden wir Jesus haben und ihn nie wieder loslassen.

Darum geht es im Grunde im ganzen Hebräerbriefes. Das Leben als Christ fordert manchmal Entbehrungen. Aber denken wir viel mehr daran, was er uns schenkt: Wir müssen nicht in den Spiegel schauen und uns selbst davon überzeugen, dass wir halbwegs gute Menschen sind. Nein, wir können ehrlich sein und dürfen gleichzeitig wissen, dass wir in den Augen Gottes heilig sind. Begnadigte Sünder. Geliebte Kinder. Bewohner der zukünftigen Herrlichkeit.

Darum, ihr heiligen Brüder und Schwestern, die ihr teilhabt an der himmlischen Berufung, schaut auf den Apostel und Hohenpriester, den wir bekennen, Jesus!

Jesus! Um ihn ging es, als diese Gemeinde gegründet wurde. Und um ihn geht es auch heute – 100 Jahre danach. Er ist der Friedensfürst, der dem Krieg mit Gott ein Ende setzt. Er ist unser Erlöser, der uns aus der Gefahr der Sünde rettet. Er ist die Wahrheit, die uns immer wieder unsere Sünde offenbart. Und doch ist er so voller unerschütterlicher, vergebender Liebe zu uns. Er ist unser Fels, der sich niemals verändert oder bewegt. Er ist der Weg zu unserem himmlischen Vater. Er ist der Weinstock – stehen wir mit ihm in Verbindung, bringen wir Früchte. Er ist unser mächtiger König, er bietet uns Sicherheit unter seiner liebevollen Autorität. Er ist unser Licht, unser Retter, unser Erlöser, der den Preis für unsere Sünden zahlte. Er ist Immanuel – Gott mit uns.

Darum, ihr heiligen Brüder und Schwestern, die ihr teilhabt an der himmlischen Berufung, schaut auf den Apostel und Hohenpriester, den wir bekennen, Jesus!

Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Väter unserer Gemeinde 1. Petrus 2,9 zum Wahlspruch dieser Gemeinde wählten. Denn dort heißt es:

Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.

Meine Lieben, angesichts des Geburtstages unserer Gemeinde würde ich ja nun sagen: „Auf weitere 100 Jahre!“ Aber viel lieber möchte ich die folgenden Worte des Apostels Johannes an den Schluss stellen:

Und nun, Kinder, bleibt bei Jesus, damit wir, wenn er offenbar wird, Zuversicht haben und nicht zuschanden werden, wenn er kommt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

  1. https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61565/kirche
  2. https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-christen-austritt-evangelisch-katholisch-1.4429447